15.06.2023

Olga Tokarczuk : Empusion

Kampa Verlag - 978 -311-10044-7 - 26 Euro


Olga Tokarczuk hat ein neues Buch geschrieben. 2019 erhielt die damals in Deutschland noch eher unbekannte Autorin den Literaturnobelpreis. Dann wurde debattiert, ob sie überhaupt eine gute Schriftstellerin sei. Die Autorin und Übersetzerin Esther Kinsky lehnte es ab, nachdem sie Unrast übersetzt hatte und bevor der Preis verliehen wurde, weitere Bücher der polnischsprachigen Schriftstellerin ins Deutsche zu übersetzen.  
Sie kritisierte die Sprache und die Art und Weise scharf, mit Versatzstücken aus der europäischen Kulturgeschichte zu arbeiten.
Genau das macht Olga Tokarczuk nun auch wieder in ihrem neuesten Buch: Empusion. Schon der Titel ist der griechischen Mythologie entlehnt. Empusen sind weibliche Schreckgestalten, gruselige Gespenster und gehören zur Göttin Hekate, Wächterin des Tores zwischen den Welten, der Weggabelungen und Kreuzungen. Die Empusen folgen ihr und erschrecken gerne Wandernde.

Soweit der Titel - die Geschichte selbst ist eine mutige und/oder dreiste Neufassung eines literarischen Meisterwerks des 20. Jahrhunderts - dem Zauberberg von Thomas Mann. Der junge Ingenieurstudent, der 1913 im Lungensanatorium um sein Leben ringt, heißt nicht Hans Castorp sondern Mieczylaw Woijnicz und Schauplatz ist nicht Davos sondern Göbersdorf in damals Niederschlesien. Dann geht es munter weiter, indem die Autorin mit Versatzstücken aus allen Genres, Epochen und Themengebieten jongliert. Ein wirklich wildes und dreistes Buch.

Wie so häufig bei den Büchern von Olga Tokarczuk empfiehlt sich zur Lektüre eine Prise Humor und die Haltung der Autorin zu teilen: auch alte weiße Männer, die den Olymp der europäischen Kulturgeschichte erklommen haben, können, müssen, sollen, dürfen kritisch beleuchtet werden - sogar von weiblichen Literaturnobelpreisträger*innen.

Natürlich gibt es in der Geschichte auch noch mehr Grusel, dichte Naturbeschreibungen und Morde.