20.01.2020

Lisa Taddeo : Drei Frauen

Piper - ISBN: 978-3-492-05982-4 Preis: 22 Euro


„Three Women - Drei Frauen“ stürmte im Jahr 2019 die Bestsellerlisten in den USA und wird als Buch der Stunde über weibliche Sexualität und  Begehren angepriesen. In den englischsprachigen Ausgaben zieren lediglich große Letter oder eine üppige Obstschale das Cover - die deutsche Version des Buches zeigt eine gesichtslose junge Frau. Ein Titelbuchstabe: das kleine „e“, ziert die rechte, in einen romantischen Spitzen-BH verpackte Brust: Der männliche Blick auf den weiblichen Frauenkörper als Verkaufsargument für ein Buch über weibliches Begehren?

Nach der Lektüre des Buches erscheint das Cover dann aber doch auf unheimliche Weise stimmig. Die Geschichten über das weibliche Begehren aus den Perspektiven dreier heterosexueller Frauen haben eine große Gemeinsamkeit: alle werden dem männlichen Blick und Begehren unterworfen. Das Buch zeichnet kein umfassendes Bild weiblichen Begehrens, aber es zeigt verstörend und ehrlich, wie dieses durch die Machtverhältnisse geformt wird.

Die Autorin hat sich auf eine jahrelange Suche nach realen Protagonistinnen für ihr Buch begeben. Am Ende der langen Recherchezeit, in der sie quer durch die USA reiste, haben Lina, Maggie und Sloane ihre Geschichten erzählt und einer Veröffentlichung zugestimmt. Und genau diese ungewöhnliche Vorgehensweise ist eine weitere Besonderheit des Buches. Es ist ein dicht gewobener und fesselnd erzählter Roman, dessen Realitätsbezug dazu führt, dass die Distanz der Leser*innen zu den Geschichten weiter schrumpft.  Durch das Erzählen der eigenen Geschichte erlangen die drei Frauen die Macht über ihr Leben: „Letztlich hatten es aber diese drei Frauen in der Hand, wie ihre Geschichten hier erzählt werden. Jede Geschichte hat mehrere Seiten. Und das ist ihre.“ - Lisa Taddeo.

Die Geschichte von Lina beginnt damit, dass sie von drei jungen Männern vergewaltigt wird – anstatt, dass sie Gerechtigkeit erfährt, wird sie in den Gerüchten und Erzählungen zur „Schlampe“,  die Sex mit mehreren Männern hat. Als Erwachsene, nach langen Jahren mit einem lieblosen Ehemann, entschließt sie sich ein Verhältnis mit ihrem Jugendfreund zu beginnen. Dieser hatte sie nach der Vergewaltigung verlassen und ist inzwischen ebenfalls verheiratet.

Lisa Taddeo erzählt auch von mangelnder Solidarität zwischen Frauen. Ist es solidarisch, wenn die Mutter der Autorin am Sterbebett zu ihr sagt: „lass sie nicht wissen, dass du glücklich bist.“?  Ein gut gemeinter Ratschlag von der Mutter für die Tochter -  dahinter sieht Taddeo, dass weibliches Glück gesellschaftlich unerwünscht und eine Provokation ist. Auch gleichgeschlechtliches Begehren zwischen Frauen ist in dem Buch nur ein Abfallprodukt männlicher Phantasie und existiert nur zufällig, weil der Ehemann auf „Dreier“ steht.

Machtverhältnisse werden mit Gewalt manifestiert - das ist sowohl die deprimierende Geschichte als auch die  Wahrheit, die Lisa Taddeos Protagonistinnen eindrücklich und verstörend erzählen.

Am Ende bleibt die Frage, wie der Verlag dieses Titelbild für dieses Buch auswählen konnte. Das Buch ist definitiv kein  Enthüllungsroman über weibliches Begehren, sondern eine Diskussionsgrundlage für die Frage: Wer bestimmt und definiert eigentlich „das weibliche Begehren“? 

Und mit dieser Fragestellung im Hinterkopf lohnt es sich, dieses Buch zu lesen - auch wenn es unbequem und kontrovers ist, es ist packend erzählt und nicht ohne Grund in den USA von der Kritik gelobt - denn es liefert einen wichtigen Beitrag zu einer brisanten Debatte über Macht, Gewalt und Sexualität.