16.04.2021

Amy Waldman : Das ferne Feuer

Schöffling & Co. - ISBN: 978-3-89561-168-1 Preis: 26 Euro



Die ambitionierte Berkeley-Studentin Parvin Schams bewegt sich zwischen den progressiven Ideen ihrer Professorin und ihrem konservativen afghanisch-amerikanischen Elternhaus. Die Lektüre des Buches „Mutter Afghanistan“ bringt sie auf ihren ganz eigenen Weg. In „Mutter Afghanistan“ erzählt Gideon Crane, ein US-amerikanischer Arzt, von seinem humanitären Einsatz und seinem Bau einer Klinik für Frauen im nördlichen Afghanistan. Die medizinisch-prekäre Situation vieler afghanischer Frauen auf dem Land und wie Crane versucht, mit dem Klinikbau Abhilfe zu schaffen, beeindruckt Parvin zutiefst. Parvin entschließt sich, als Journalistin in das Dorf zu reisen, in dem die Frauenklinik erbaut wurde. Sie möchte sich selbst ein Bild vom Zustand der Klinik und dem Land ihrer Eltern machen und erhofft sich, die Klinik unterstützen zu können.

Schritt für Schritt wird Parvin klar, dass nicht alles so rosig aussieht, wie in „Mutter Afghanistan“ geschildert. Die vermeintliche Erfolgsgeschichte der Frauenklinik bekommt Brüche. Hat Crane etwa an der ein oder anderen Stelle geflunkert? Funktioniert der Klinikalltag überhaupt - in Mitten des Krieges, im Angesicht traditioneller Dorfstrukturen und als Gegenpol zu althergebrachtem Wissen bei Geburten? Und welche Rolle nimmt Parvin im Dorf ein? Wie geht sie mit Abweisung um und dem Gefühl, ein Eindringling zu sein?

Amy Waldmans Roman „Das ferne Feuer“ wird angetrieben durch einen interessanten, wendungsreichen Plot. Parvin wird länger bleiben als geplant und sich mit ihrer Rolle im Dorf fundamental auseinandersetzen müssen.

Im Kern bietet „Das ferne Feuer“ einen Einblick in die Struktur der afghanischen Gesellschaft und in ein Land, dass sich nie kolonialisieren ließ. Dadurch, dass es die zentrale Figur der Parvin gibt, wird bei der Leser*in nie der Eindruck erweckt, es handele sich um eine „authentische“ Schilderung eines Landes mit dessen „Ursprünglichkeit“. Denn: Die Schilderungen der Dorfgesellschaft erfolgen durch Parvins spezifische Perspektive, die eine westlich geprägte ist, was ihr wohl bewusst ist. Die US-Amerikanerin Waldman war selbst in Afghanistan als Journalistin tätig und geht mit ihren Landsleuten in ihrem jüngsten Roman hart ins Gericht.  Sie erzählt packend von unserem Blick auf die Welt, der durch die Medien geprägt ist, von der Schwierigkeit, Vorurteile abzulegen und von moralischen Dilemmata unserer Zeit.