04.07.2020

Fran Ross : Oreo

dtv - ISBN: 978-3-423-28197-3 Preis: 22 Euro


„Oreo“  ist der Spitzname der Romanheldin Christine. Der gleichnamige Roman wurde bereits 1974 in den USA zum ersten Mal veröffentlicht und schnell wieder vergessen - bis er 2000 wiederentdeckt wurde. Seitdem zählt er zu einem der wichtigsten, weil sehr seltenen satirischen Beiträge zur Literatur schwarzer Autorinnen.
Aber dieses Buch ist bei weitem viel mehr als das: Fran Ross bedient sich der griechischen Mythologie, der Literaturgeschichte und Theorie. Ihr Buch hat ungemein viele Bedeutungsebenen, die satirische erschließt sich vielleicht am ehesten. Als die Eltern der Romanheldin Christine ihren Eltern mitteilen, dass sie heiraten werden, stirbt die jiddische Mame ihres Vaters sofort an einem Herzinfarkt und der Vater der Mutter erstarrt zu einem Hakenkreuz. Und damit beginnt die Lebensgeschichte der frechen, lebensbejahenden, unerschrockenen Christine, deren spezielle Selbstverteidigungstechnik WITZ ist, mit der sie gleich erstmal den besten Freund ihres Bruders zusammenschlägt. Die rasante Geschichte besticht durch eine eigene Sprache - einem Gemisch aus afroamerikanischem Englisch, anglisiertem Jiddisch, Südstaatenidiom und einer selbst erdachten Sprache -  die von der Übersetzerin treffsicher ins Deutsche transportiert wird - und wofür Pieke Biermann 2020 den Preis der Leipziger Buchmesse erhielt.
Max Czollek sagt in seinem Nachwort: „Oreo ist ein großartiger Versuch, der Komplexität menschlicher Identitäten gerecht zu werden - kein identitätspolitisches Statement, sondern eine literarische Antwort auf die brennende Frage nach Verbindung zwischen angeblich Gegensätzlichem - beispielsweise Schwarz und Weiß oder Jüdisch und Nichtjüdisch -, die in den herrschenden Narrativen kaum vorkommt.“
Glücklicherweise wurde Oreo wiederentdeckt; denn hier wird Komplexität sichtbar und eine wichtige literarische Stimme findet endlich Gehör.