22.04.2020

Jessica Andrews : Und jetzt bin ich hier

Hoffmann und Campe- ISBN: 978-3-455-00821-0 Preis: 23 Euro


Lucy wächst in einem kleinen irischen Dorf auf. Zum Studieren zieht sie in die verheißungsvolle Metropole London. Doch ihre Working-Class-Herkunft und ihre Familiengeschichte lassen sie nicht los. Als ihr Großvater stirbt, kehrt sie an die irische Küste zurück, wo sie das Familien-Cottage renoviert, um in der Einsamkeit ihr Glück zu finden.

Jessica Andrews schildert in ihrem Roman-Debüt „Und jetzt bin ich hier“ die Widersprüchlichkeiten im Leben ihrer Protagonistin Lucy: Die Enge der Kleinstadt gegenüber der Unmenge an Möglichkeiten in der Metropole; die Suche nach Ruhe auf dem Land gegenüber dem Rausch des Großstadtlebens; die Verletzungen der Kindheit gegenüber der erfahrenen elterlichen Liebe.

Jessica Andrews Roman ist fragmentarisch konstruiert. Unterteilt in kleine Segmente – wie in Tagebucheinträgen  –   erfahren wir nach und nach mehr über Lucys Leben. Die Ich-Erzählerin schreibt über sinnliche Erfahrungen, über Erinnerungen, über ihre eigene Geburt, sowie über konkrete Erlebnisse  –   körperlich, direkt, leidenschaftlich. In der exzellenten Übersetzung von Anke Caroline Burger ist das wunderschön zu lesen.

Manche Abschnitte sind nur ein paar Sätze lang. Hier eine Kostprobe:

„In Donegal kennt man die Leute häufig unter dem Namen wichtiger Familienmitglieder. Auntie Kitty hatte meinen Großvater großgezogen, deswegen wurde er „Mickey-Kitty“ genannt, meine Mutter hieß „Susie-Mickey-Kitty“. Als ich jünger war, fand ich das erdrückend, aber jetzt tröstet mich diese Klarheit. Haltlos, ohne Kanten und Konturen, treibe ich durch die Welt, bis ich irgendwann am nächsten scharfen Gegenstand hängen bleibe. Die Namen meiner Vorfahren sind wie Seile, die das Cottage im Boden verankern“ (S. 32).

„Und jetzt bin ich hier“ ist eine literarische Kost, die sich besser langsam genießen lässt, dann sickert die Sprache besser ein und die Leser_in hat mehr davon. Köstlich!